Zärtlichkeit – das ist ganz intim?
Zärtlichkeit – eine Begrifflichkeit, die, obwohl Du das nicht so wahrnimmst, sofort ein Schubladendenken in Dir auslöst – in den allermeisten Fällen. Denn Zärtlichkeit – da sind wir im Intimen gelandet, das hat etwas mit Liebe zu tun? Und Zärtlichkeit bekommt nicht jeder? Nur ganz besondere Menschen in Deinem Leben? Das heißt also – du partitionierst Deine Liebe, Du gibst sie nicht ganz weiter, sondern vielleicht nur winzige Bruchteile. Die Zärtlichkeit gehört wohl eher nicht unbedingt zu diesen Partikeln.
Geregelte Zärtlichkeiten
Wir kennen verschiedene Arten von Zärtlichkeit. Die Art und Weise etwa, wie man einen fragilen, einen zerbrechlichen Gegenstand berührt, wie man ein Tier, eine Blüte, anfasst. Doch kennen wir auch zärtliche Gedanken, Blicke. Auch die Sprache, das gesamte Verhalten des Menschen, letzten Endes, kann zärtlich sein. Und nun die große Trennung: Zärtlichkeiten unter Menschen, Berührungen, sind strengstens reglementiert.
Zärtlichkeit durchnummeriert?
Die Zärtlichkeit findet sich definiert, in Schubladen gepackt, kategorisiert, einer Vielzahl von absurden Regeln unterworfen. Ja, die Zärtlichkeit wird sogar unter gesetzliche Strafe gestellt, mal ganz abgesehen von der Sünde, welche die Kirche ausgesprochen schnell zur Hand hat. Von dem Unwohlsein, den inneren Kämpfen der Menschen, die gegen ihre wahre, ausgesprochen zärtliche Natur anzukämpfen gezwungen sind, den Gewissensbissen, den Schuldgefühlen, hervorgerufen durch diese Manipulation, ganz zu schweigen.
Zärtlichkeit ist out?
Wir alle sehnen uns nach Zärtlichkeit, nach einer lieben, tröstenden Hand, – doch Kirche und Gesellschaft haben die Zärtlichkeiten stigmatisiert, haben uns dunkle Gewänder angezogen – so wir uns unserer Nacktheit und unseren Gefühlen schämen sollen. Zärtlichkeit – das ist sicher zu großen Teilen auch körperliche Berührung. Doch viele Menschen trauen sich heute nicht, den anderen überhaupt zu berühren. Die Politik, der Staat, das Gesellschaftgefüge, die Macht der Oberen, das monentäre System der Kaptalvermehrung, trägt noch einen Gutteil dazu bei.
Zärtlichkeit ist peinlich?
Wir ordnen die Zärtlichkeit ins Intime, wie wir schon festgestellt haben. Und fühlst Du dieses Unbehagen, das da von irgendwoher kommt? Diesen leisen Zweifel, ob es richtig ist, Liebe zurückzuhalten, sie aufzuteilen, die Zärtlichkeit nur für ganz besondere Augenblicke aufzubewahren? Die Zärtlichkeit ist ein wesentlicher Hauptbestandteil der Liebe – und du hältst sie, die Liebe, mit Deiner Partitionierung gefangen.
Tiefe Sehnsucht nach Zärtlichkeit
Die Wahrheit ist – Du – jeder Mensch – sehnt sich zutiefst nach Zärtlichkeit – und die unheilvolle Verbündelung mit der Sexualität, dem Intimen, die zu großen Teilen aus der Doktrin der Religionen stammt, entzieht sie ihm. Es scheint, als ob wir uns selbst beschneiden, in unserer Prüderie. Und dies ist eine von der Kirche schon immer gepredigte, durchgesetzte, hin manipulierte, manifestierte Sicht der Dinge. Wir haben eine vollkommen unnatürliche Hyperintimität gelernt. Und diese bewirkt das Fehlen der Zärtlichkeit.
Verhängnisvolle Hyperintimität
Diese durch die Kirche generierte Hyperintimität durchdringt unser komplettes Leben. Da ist die Doktrin der Familie, der Heirat, da sind die zahlreichen Vorschriften, die sich die Gesellschaft und der Staat, auch in den Gesetzen zueigen gemacht haben. In erster Linie jedoch ist die schon im Kindesalter beginnende Manipulation, das Lernen unverbrüchlicher Grundsätze, was die „schmutzige Sexualität“ angeht. Unsere Erziehung tötet die Zärtlichkeit ab. Wir lernen die Rollenspiele der Gesellschaft – und – wie gleich zu Beginn festgestellt – hier haben wir unsere Schubladen, die fest zementiert sind.
Wir schämen uns unserer selbst
Und so – anstatt der Zärtlichkeit Platz zu geben, sie zu geben und zu erhalten, zu genießen, was zum Leben gehört, was Teil der ewigen Wahrheit der Liebe ist – schämen wir uns einiger Stellen unseres Körpers und deren Empfindungsmöglichkeiten. Ein unheimlich tief sitzender Dualismus – die grundsätzliche Unterscheidung, das Urteil „Gut und Schlecht“ und das daraus entstehende, ursächlich falsche Schamgefühl, hält uns davon ab, frei zu sein, im Jetzt zu sein, Zärtlichkeit, Liebe, ganz unbedarft zu schenken und geschenkt zu bekommen.
Das System hat uns die Liebe genommen
Das System, mit allen seinen Gesetzen, Vorschriften, Grundsätzen und Moralismen hat uns die Liebe genommen! Kämpfen wir dafür, sie zurückzuholen! Unsere übermächtige, alles durchdringende und befreiende Waffe soll dabei die Zärtlichkeit sein. Gegen Zärtlichkeit ist das komplexe System vollkommen hilflos. Es ist entwaffnet, hat keinen Bereich mehr, den es okkupieren, zerstören oder auch nur berühren könnte.
Zärtlichkeit in den Alltag integrieren
Wenn wir der Wahrheit der Liebe, der Schöpfung , näher kommen möchten, müssen wir unsere Liebe ganz geben. Und das heißt, ganz konkret, die Zärtlichkeit in unseren Alltag zu reintegrieren. Und es ist eben nicht irgendeine sexuelle Art von Zärtlichkeit gemeint. Lernen wir doch, diese Begrifflichkeit unter anderen Vorzeichen zu sehen! Sicherlich weist Zärtlichkeit immer auch etwas körperliches auf, ein Berühren, ein Zusammenkommen. Doch das muss nicht in der Sexualität seinen Werdegang finden. Und wenn, dann ist das keineswegs schlecht.
Restriktive Sexualität?
Ganz abgesehen davon: Auch die Begrifflichkeit der Sexualität ist ein strengstens restriktiver. In jede Richtung. Wer, wann, wo, mit wem, wie. In dieser Denkstruktur bedeutet Zärtlichkeit zwangsläufig Sex. Und diese umfassende Vereinnahmung mit einem durch die Kirche, die Religionen und Glaubensgrundsätze so grausam belegten Thema, gestaltet die Zärtlichkeit zu etwas, das man nur mit ausgesprochener Sparsamkeit, wenn überhaupt, hergibt.
Vollkommen falsche Grundlagen
Es ist an der Zeit, mit diesen falschen Prämissen aufzuräumen. Wir müssen der Zärtlichkeit und mit ihr der Liebe wieder den angestammten Platz zurück geben. Liebe ist absolut und dehnt sich ständig aus. Werden wir ihrem Ruf gerecht! Vergessen wir unsere so bedrückende Schamhaftigkeit, lassen wir die Zärtlichkeit in unserem Leben zu. Es gibt keinen Grund, vor sich selbst, seinem Körper, und anderen Körpern Angst zu haben. Es ist nicht gut, vor der Zärtlichkeit Angst zu haben. Jeder Augenblick des Lebens ist behütet von der Liebe – und in der Zärtlichkeit – ganz ohne irgendwelche nur gedachten Hintergründe – da findet sie sich wieder.
Unsere Zärtlichkeit ist durch Angst bestimmt?
Unsere Zärtlichkeit ist von Angst bestimmt – dieselbe Angst, die das Ego generiert, um uns in der Welt der Lieblosigkeit, des Urteils, der Krankheit und des letztlichen gewissen Todes zu halten. Lassen wir alle Ängste los – geben wir uns der Zärtlichkeit ohne Vorbehalte hin – dies der Weg der Liebe, der Weg in die Erkenntnis, in die Schöpfung. Angst und Scham, übertriebene Intimität, haben in der Liebe keinen Platz.
Zärtlichkeit ist Teil der allumfänglichen Liebe
Das System des Dualismus versucht, uns die Zärtlichkeit vergessen zu machen, denn die Zärtlichkeit ist Teil der allumfänglichen Liebe, die der größte Feind des Ego ist. Die Zärtlichkeit – und mit ihr die Liebe wiederzufinden, das muss unser Ziel sein. Und wenn wir einander nur ein wenig erkennen, hin zu dem Eins in Liebe, ist es das höchste Streben und Glück, anderen Zärtlichkeit zu schenken und sie selbst zu erhalten. Zärtlichkeit und Liebe dehnen sich aus. Wer sie weggibt, wer sie auch im Übermaß verschenkt, verliert sie nicht, sondern mehrt sie. Der Vorrat ist unendlich.
Fazit
Es ist von allergrößter Bedeutung, dass die angelernte, die vermittelte, anerzogene, Angst vor der Zärtlichkeit, durch die Zärtlichkeit selber aufgelöst wird. Jedwede ehrliche Zärtlichkeit, die Freude, die empfunden wird, bedeutet das Ausdehnen der Liebe – unser aller Ziel auf diesem Weg. Die Welt hat der Zärtlichkeit den Mantel des Verderbten übergeworfen – befreien wir sie in ihrer wunderschönen, ehrlichen Nacktheit. Berühren wir sie, berühren wir unser Sein.